St. Ursula Kirche
-die
Flennels-
Henninger
war schriftstellerisch tätig und als Sagendichter bekannt. Einen
historischen
Vorläufer zur Sage von der Flennels
gibt es nicht. Er erzählt: |
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„Es war eine Zeit, wo jedes, auch das kleinste Vergehen, das
man sich gegen die Kirche oder deren Satzungen zu Schulden kommen ließ,
mit eiserner Strenge geahndet und bestraft wurde. Da sah man Leute aus
allen Ständen im härenen Bußgewand oft Jahre, ja ihr halbes Leben lang
in den Vorhallen oder an den Pforten der Kirchen, und zwar nicht selten
in schwere Eisen geschlossen, liegen oder stehen und hörte sie die
Vorübergehenden um ihre Fürbitte anflehen, daß ihre Kirchenbuße
abgekürzt und sie wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen
werden möchten. So war es auch zu Oberursel, und dort neben dem Turme befand sich die Pforte, an der arme Sünder, die sich eines größeren Vergehens schuldig gemacht hatten, dem Wechsel der Witterung preisgegeben, so die Glocken zur Kirche riefen, stehen und die ihnen auferlegten Kirchenstrafen abbüßen mußten. An dieser Pforte hatte wohl schon mancher gestanden und sich dem Gebete der Andächtigen empfohlen. Ganz besonders aber fiel zu einer Zeit den Besuchenden der Kirche ein Mann auf , dessen Anblick schaudererregend war. Ein härenes Bußgewand bedeckte siene Glieder, und seine Lenden umgürtete ein grober Strick, Tränenströme hatten seine Wangen aufgeätzt. Und hohläugig, mit dem Blicke eines Wahnsinnigen stierte er die Vorübergehenden an und streckte ihnen aus seinem eisernen Gitter die abgedorrten Hände entgegen. So büßte der Arme jahrelang wohl ein schweres Vergehen, bis man ihn eines Tages nach dem Gottesdienst als Leiche hinwegtrug. Und wer war dieser Mann und welches war der Frevel, der ihm eine solche harte Strafe zuzog? Da wo noch ein altes Gebäude steht, das unter dem einfachen Namen |
„Die
Burg“ bekannt ist, und wo der
weitgehende Burggarten sich befindet, stand ehedem eine Burg, welche
den Namen Dornstein führte. Heimgekehrt von einer langen Reise, auf der er manches gesehen und gehört und sich mannigfaltige Kenntnisse gesammelt hatte, lebte hier der junge Edle Els von Dornstein. An einem Feste der heiligen Ursula, der Patronin der Oberurseler Kirche, wagte es der Ritter unvorsichtiger Weise zu behaupten, in der bekannten Legende von den 11 000 Jungfrauen, womit ein Pater an diesem Tage seine zahlreiche Zuhörerschaft von der Kanzel erbaut hatte, walte ein Irrtum. Nicht elftausend Jungfrauen, sondern nur elf hätten mit der heiligen Ursula bei Köln den Märtyrertod gefunden. Ritter Els von Dornstein hatte nämlich vernommen, daß die alte lateinische Inschrift, worauf diese Legende sich gründe, Ursula et XI.M.V., nicht Ursula et undecim Millia Virginium (d.h. Ursula und elftausend Jungfrauen), sondern Ursula et undecim Martyres Virgines (d.h. Ursula und elf Jungfrauen Märtyrerinnen) zu lesen sei. Großes Aufsehen verursachte diese Kühnheit des jungen Mannes, der sich vermaß, gegen die allgemein geglaubte Legende mit solchen Zweifeln aufzutreten. Wenige Tage vergingen, als der Ritter vor ein geistliches Gericht gestellt und nach einem kurzen Verhör zu zwölf Jahren strenger Kirchenbuße verurteilt wurde. Nichts konnte ihn davon befreien und so stand nun der Unglückliche, verachtet und gehaßt, selten bemitleidet, dort an dem Kirchenpförtchen, bis der Tod seinem armseligen Leben ein Ende machte. Als dauerndes Wahr- und Warnungszeichen für Verwegene wurde sein Bild in Stein gehauen und über jener Pforte eingemauert, woselbst es heute noch zu sehen ist. |
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Ob der
unglückliche Ritter schon bei Lebzeiten von herzlosen Menschen seiner
vielen Tränen halber den Namen „Flenn-Els“ bekam, oder erst spätere
Zeiten die Figur mit dem weinerlichen Aussehen also bezeichneten,
erzählt die Sage nicht. Aber noch lange Zeit war dieses Bild in dem
Städtchen der Pompanz oder Schrecken schreiender Kinder und man hörte
oft scheltend sagen: „Du bist grad, wie die Flennels!“ (aus: August Korf, Oberursel – Ein kurzer Führer durch die Geschichte, Sage und Dichtung der Stadt, Oberursel, 1907, S.32 – 35) |