Von einem armen Edelmann


Erasmus Alberus

Ein schön kurtzweilig vnd nützlich geticht
Von einem armen Edelmann/ Dauid wolgemut genent/
der mit seiner geschicklichheit/beid des keisers tochter
vnnd land überkame/Darinn auch das lob der Stadt Vrsel
begriffen ist/ durch Erasmum Alber gemacht/
Vnnd gedachter stadt Vrsel zum newen jar geschenckt.

AN. M D XXXVII 
(= 1537)

Logo von einem armen Edelmann



Die Stadt und ihre Herrschaft

Mein herr von königstein ein statt
Nit fern vonn Franckfurt ligen hat/
Wenn man wil gehn ins Hessenland/
So ligt die Stadt zur lincken hand/
Heist Vrsel/ vnd das völcklin ist/
Keins trugs gewohnt/ noch argen list/
Keins auffsatzs/ wuchers/hurerey/
Man hört von keiner büberei/
Sonder seind züchtig/ fromm vnd schlicht/
Gotts wort wirdt jn gepredigt recht.
Nach doctor Martin Luthers weiß/
Das hört man da mit allem fleiß/
Beid menner vnd die weiber sein
An leib geschickt/gerad/ vnd fein
Darzu han sie ein frommen herrn/
Was wolten sie doch mehr begern.
Von keinem schetzen haben sie
(schetzen: Schätzung mit dem Ziel
höherer Besteuerung
)       
         
In langer zeit gehöret nie/                          
Graff Eberhart bei seinem leben                 
Seim vettern hat das land gegeben/            
Solchs vmb keiserlich Maiestat          
Graff Ludwigen erlanget hat/
Zu Stolberg ist er hochgeborn/
Die tugend hat er außerkorn/
Von seinem herrn vatter ist er
Gehalten worden zu der ler
Vnd hat von jugend vff studiert/                  
Darumb er billich das land regiert.

              
Der Urselbach

Nun wil ich weiter zeygen an
Wenn man ghen Reiffenberg wil gan
Da ligt der Feldberg/ des ich hab
Vorhin gedacht/ vom berg herab
Ein schöne bornquell wol ein meil
Ghen Vrsel fließt mit grosser eil
Zu welcher sich auch ander quelln
Zwischen der statt Vrsel geselln.
Vnd wird ein solche bach darauß                   
Das sie den bürgern überauß
Nütz ist/ dann sunst warlich die statt
Von Gott kein grösser kleinot hat/
Darumb ich acht/ für solche gab
Die Statt Gott wol zu danken hab/
Dann sich da mancher weber neert/
Weil  jn Gott hat die Bach beschert/
Vnd kupfferschmid jhrn handel treiben/
Sonst kund daselbst jr keiner bleiben/
Ein feine mül steht in der Stadt/
Die keinen abgang nimmer hat/
Wann anderß wo die Bech vergehn/
Vnd die müllstein still müssen stehn/
Vnd die müller im schaden ligen
Weil jn die wasserquelln versigen
So wirt das volck bewegt auß not/
(Vff das sie widder haben brot)
Zu farn ghen Vrsel in die Stadt/
Manch frembder trifft den Vrsler pfadt/
Dann diese Bach geht nimmer ab/
Ist das nun nit ein grosse gab?
Das wasser zeugt auch solche fisch/
Die man wol auff eins fürsten tisch
Möcht setzen/ jn damit zu ehrn/
Wann sie nur wol bereitet wern/
Krebs/ Grundeln/ forelln/ Koben/ kressen/
Solt die ein Fürst nit mögen essen?
Noch hab ich auch zu zeigen an/
Was diß wasser mehr nützen kan/
Ein schönen wisengrundt die stadt
Zur rechten vnd zur lincken hat/
Dem ist die bach gleich wie der mist
Vff einem magern acker ist.
Viel feiner gärten liegen da/
Wie Tempe in Thessalia/
(paradiesische Landschaft in Griechenland)
Vnnd lustig wie ein paradeiß
Vnder den gärten hat den preiß
Herr Philips Reiffensteinen gart/ 
Den jm mein herr Graff
Vmb trewe dienst geschencket hat/
(Lob des Philipp Reiffenstein, Humanist
und gräflicher Amtmann in Ursel auf
der "Burg" seit 1529)     
               
Der gart ligt oben an der Stadt/                           
Den hat Philippus zubereit                                                     
Mit sonderer geschicklichkeit/
Es ist alles lustig vnd fein/
Ein lauter wasser fleußt darein
Daher sein weiher ist fein klar
Von frischem wasser immerdar/
Vil baum vnnd kreutter mancher art
Viel schöner blümlein zeugt der gart/
Im garten man auch kirschen findt/
Die lustig anzusehen sindt/
Vier kirschen stehn an einem stil/
Daneben ich anzeigen wil/
Welchs ist nur lustig überauß/
Das jm die Bach leufft durch das hauß/
Ehe dann die Bach kompt in die Stadt/
Philippus sie empfangen hat/
So fein lustig fleußt sie daher/
Frisch wasser fehlt jm nimmermehr/
Das wasser zeugt jm fisch im hauß/
kompt jm ein gast/ so nimpt er drauß
So vil er wil vnd stelts jm dar
Solchs kan er thun durchs gantze jar/
Zu Nürnberg in der reichen stadt
Kein Bürger schöner kleinot hat/
Diesem Philippo ists beschert/
Er ist der ehrn auch warlich werdt/
Dann er ist kostfrei/vnd sein brot/
Bricht er dem armen in der not/
Vnd wann er einem dienen kan/
Da ist er gar ein willger man/
Die Reiffensteiner haben zwar
All solch gemüt/ das ist wol war/
Vnnd wissen wol zu halten sich/
Aber Philips ist sonderlich
Holdselig/vnd ein tewer man.

Nun wil ich weiter zeigen an/
Was Gott noch weiter für wolthat
Den Vrselern bescheret hat/
Das schöne wasser nit allein
Zu Vrsel braucht die gantz gemein
Gott hat die Stat noch mehr verehrt/
Vnd gute brunnen jn beschert/
Die hat man mit behendigkeit
Biß mitten in die Statt geleit.
Das ich aber mit grossem fleiß

Der Stadt Vrsel geb solchen preiß/
Das soll mir ja niemand verkern/
Sie seind wol wirdig solcher ehrn/
Dann ich ein wolgezogen weib                                 
Mit einem säuberlichen leib                                        
Bei jnen überkommen hab  
Von wegen solcher schönen gab/
Danck ich zum ersten hertzlich gern
Gott meinem allerliebsten herrn/
Nebst Gott danck ich gedachter stadt
Die mich also begabet hat.
(Erasmus Alberus heiratete 1522 eine
Urseler Bürgerstochter mit
Namen Katharina)

                
Fruchtbarkeit des Landes

Es muß nit bleiben vngemelt/
Wie sie haben ein fruchtbar feldt/
Es wechst auch da ein zimlich wein/
Doch haben sie nit fern am Rhein/
Wann eim der Vrsler nit gefelt/
So wirdt jm Rheinsch wein fürgstelt/
Ein Newenhainer kan man finden/
(gemeint ist Wein aus Neuenhain und Bad Soden)                    
Der darff ein Rheinschen überwinden/                 
Ein Soder darff sich auch beweisen
Drumb ist das Vrßler land zu preisen/
Dann Soden vnd der Newenhan
Beid dörffer stossen hart daran/
Vnd sein dem Feldberg auch verwandt/
So fruchtbar ists Königsteiner landt.


Waldreichtum

Im winter wans ist mechtig kalt/
So haben sie ein grossen waldt/
Der thut bei jn als dann das best/
Sie hauen ab die hohen est/
Vnd dürre kleuser die seind gut/
Sie machen gar ein heisser glut/
Es darff da niemand kein holtz sparn/
All tag siht man holtzhauer farn/
Man beckt auch da gut weck vnd brodt/
Fleisch halben leidt man auch kein not/
Ein feiner fleischmarckt allezeit


Umgegend

Zu Vrsel ist/ von dannen weit
Zur rechten vnd zur lincken handt
Siht man in ander herren landt/
Ein schön ansehns Franckfurt die statt
Mit jren schönen thürmen hat/
Die schimmern von der Sonnen schein
Vnd anzusehn seindt mechtig fein/
Hinder Vrsell der Feldberg steht/
Von vornher man ghen Franckfurt geht/
Da steht ein grosser schöner plan/
Daruff dreihunderttausent man
Stehn kundten/ was da etwa sei
Geschehen zeyg ich an hiebei.


Die Fabel von David Wohlgemut der im Wettkampf des Kaisers  Land und Tochter gewinnt

Für langer zeit ein keiser hat
Außgehn lassen ein solch mandat/
Es solt ein jeder Edelman
Des Reichs/ bei Vrsel uff dem plan
Erscheinen mit seim besten pferdt/
Dann seine Maiestat begerdt
Zu sehen welchs der schnellest wer/
Vff das sich aber keiner beschwer
Zu kommen/sagt er zu daneben
Dem besten Renner wolt er geben
Sein einig tochter/die hieß Kett/
( =Katharina wie die Frau des E.A.)               
Vnd weil er kein mans erben hett/
So wolt er jn setzen zugleich
Als seinen son/ inn all sein Reich/
Welcher brächt/ das behendest pferdt/
Der solt sein solcher ehren werdt/
Es kam bei Vrsel auff den plan
Manch feiner stoltzer Edelman/
Ein jeder reit auß seinem schloß/
Auff seinem allerbesten Roß/
Zuletzt ein armer Edelman
Kam auch bei Vrsel auff den plan/
Mit namen Dauid wolgemut/
(Mehrfach nennt sich Alberus selbst David akereios = wolgemut)   
Sein rüstung war nit allzu gut/  
Drumb kund er nit zu sehr gebrangen.
Sein roß gleyßt nit von schönen spangen/
Beid man und roß hatt keinen schein/
Drumb must er verspottet sein
Mit seinem armen schlichten pferd/
Das acht man kaum eins Batzen wert.
Er kert sich aber nit daran/
Vnd macht sich gleich wol auff die bahn/
Vnd hatt des ziels gar eben acht
Das war bei Bommerßheim gemacht/
Bei Weissenkirchen fing man an/
Dauid der arme Edelmann
Fing mit den andern an zugleich
Zu rennen umb die königreich
Vnd umb das schöne jungfrewlein/
Dauid wolt nit der hinderst sein
Sein roß thet da bei jm das best/
Vnd hielt bei seinem junckern fest
Gleich wie ein vogel oder pfeill
Das rößlin rennt mit großer eill/
Also erlanget der das ziel/
Der vor nit hatt gepranget vil/
Dem/ der da kam on grosse pracht
Des keisers tochter war bedacht
Darzu jrs vatters königreich
Darumb die andern all zugleich
Fielln vor jn nider uff die knie/
Kein grösser freud erhört man nie/
Zu dem man sichs nit hatt versehn
Dem ist die grosse ehr geschehn.

M O R A L E
Es muß ein grosse torheit sein/
Das man vrteilt nur nach dem schein/
Vnd richtet also vnbedacht
Nur nach der eusserlichen pracht/
Weil man so offtmals mit der that
Das widerspil erfaren hat/
Das auch offt ein geringer man
On prangen ehr einlegen kan/
Gepreng zur sachen wenig thut/
Das hat hie Dauid Wolgemut
Bewisen wol vnd meisterlich/
Vnnd hat gesieget ritterlich/
Dann tugent übertrifft die pracht/
Drumb wirdt Dauid zum herrn gemacht
So lern du auch auff solche weiß
Mit tugent zu erlangen preiß/
Es sol kein armer sein verzagt/
Gott hat den armen nichts versagt/
Gott darff ein armen betteler
Erheben zu der grösten ehr/
Gott pflegt den armen auß dem kot
Zur höhen/ vnd auß aller not
Zu helffen/ welchs mit mancher that
Gott offt reichlich bewiesen hat/
Wann er ein armen wil ergetzen/
So darff er jn bein keiser setzen/
Drumb hab nur tugend lieb vnd ehr/
Gott wird dich lassen nimmermehr.



(Die Ausgabe von 1537 ist nur noch in einem Exemplar in der Stadt- und Universitätsbibliothek in Frankfurt erhalten. Die Fassung der Gesamtausgabe der Fabeln von 1550 ist zuletzt wiedergegeben in: Wolfgang Harms „Erasmus Alberus – Die Fabeln“
Tübingen, 1997)
Aus dem Original übertragen von Manfred Kopp


zurück zur Leitseite